Warum ich die Arbeit der BotschafterInnen der Vielfalt sehr schätze

Ich bin Annemarie Graven und Schülerin am Berufskolleg Kleve des Kreises Kleve. Ich hatte das Glück, vor ein paar Wochen im Religionsunterricht zwei Botschafter/innen der Vielfalt kennen zu lernen: Zum einen Frau Velkova-Rehm und zum anderen Herrn Dabi. Im folgenden Beitrag möchte ich mehr über meine Erfahrung mit den Botschafter/innen erzählen.

Das Gespräch konnte auf Grund der aktuellen Corona Lage nur digital stattfinden, dennoch hat es mir sehr gut gefallen. Es war ein sehr offenes und ehrliches Gespräch.

Es wurde zunächst das Thema „Kopftuch“ behandelt. Herr Dabi klärte uns über das Tragen des Kopftuches auf und warum es in seiner Religion so wichtig sei. Für mich als Christin war es zuvor eher schwierig, dieses Handeln zu verstehen, doch nach vielen Überlegungen und Informationen, die Herr Dabi uns mitgeteilt hatte, wurden es immer deutlicher. Ich würde behaupten, dass viele aus meiner Klasse nun besser damit umgehen können und auch verstehen, warum muslimische Frauen das Kopftuch tragen wollen.

Frau Velkova-Rehm informierte uns über das allgemeine Projekt der BotschafterInnen der Vielfalt und mit welchem Hintergedanken sie sich an die Arbeit macht. Sie möchte durch dieses Projekt unter anderem dafür sorgen, dass es weniger Ausschließung durch den religiösen Aspekt an unseren Schulen gibt. Sie erklärte uns auch einzelne Projekte des Vereins Mifgash, zum Beispiel, das Projekt der Stolpersteine.

Bei den Stolpersteinen handelt es sich um Pflastersteine, welche in der Klever Innenstadt, in Xanten, etc. zu sehen sind. In diesen Steinen sind Namen von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus zu sehen, um an diese immer wieder zu gedenken. Mich persönlich interessiert genau dieses Thema besonders, da es wichtig ist, diese Zeit niemals zu vergessen, um dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.

Ich hoffe, dass ich Sie, liebe Blogleser/innen, davon überzeugen konnte, wie gut und wichtig die Arbeit der BotschafterInnen der Vielfalt ist. Noch dazu ist es wichtig zu erwähnen, dass all diese Arbeit ehrenamtlich stattfindet. Ein Grund mehr, die Arbeit der BotschafterInnen besonders schätzen zu wissen!


Text: Annemarie Graven, Schülerin am Berufskolleg Kleve
Korrektur: Anni Velkova-Rehm

Bild zur Verfügung gestellt von Helga Ullrich-Scheyda


Das Kopftuch – ein Symbol der Freiheit oder der Unterdrückung?

 

Das Kopftuch – ein Symbol der Freiheit oder der Unterdrückung?

 

Mit dieser Frage habe ich mich gemeinsam mit ca. 22 SchülerInnen (alle fast volljährig und mit unterschiedlicher religiöser Herkunft) in einem Religionsunterricht am Berufskolleg Kleve auseinandergesetzt.

Zunächst gab ich wichtige Informationen zum Tragen des Kopftuchs in Zusammenhang mit dem Islam.

Das Kopftuch ist eine Pflicht im Islam und ein Gebot, aber es ist keine Säule des Islams.

Jede Frau sollte die Freiheit haben, sich für oder gegen das Tragen des Kopftuchs zu entscheiden.

Wie wir alle wissen, es gibt Gebote und Verbote in allen Religionen.

Beispiele für Gebote im Islam sind: Das Kopftuch, Liebe zum Propheten, Ehren der Eltern, Spenden etc.

Beispiele für Verbote im Islam: Alkoholverbot, Rauchverbot, gesundheitsschädliche Praktiken, etc.

In der Bibel – im Alten Testament – steht, dass  Frauen ihre Haare nicht zeigen sollten.

Viele Leute interpretieren das Kopftuch unterschiedlich:

  • Religionsfreiheit
  • Persönliche Entscheidung treffen
  • Zeichen von religiöser Zugehörigkeit
  • Ähnlich wie bei einem Fußballspiel: Fußball Fans, zum Beispiel, ziehen alle gleiche Kleidungsstücke an, um zu zeigen, dass sie sich einer Gruppe zugehörig fühlen.
  • Einfach persönlicher Wunsch, Kopftuch zu tragen
  • Schmuck und Mode
  • Tradition und Kultur
  • Zwang

Religiöse Vorurteile sind leider immer noch oft ein Bestandteil unseres Alltags. In diesem Zusammenhang haben die SchülerInnen mitgeteilt:

Das Bild zeigt die Auswertung von SchülerInnen-Meldungen mittels app.sli.do.

Die wichtigste Frage bleibt, was jeder von uns tun kann, um negative religiöse Vorurteile zu mindern oder zu vermeiden.

Das Bild zeigt die Auswertung von SchülerInnen-Meldungen mittels app.sli.do. Die Kommentare der SchülerInnen sind nicht korrigiert.

Wir leben in einer Gesellschaft der Vielfalt, und ich finde, es ist besonders wichtig, dass wir einander gegenseitig respektieren. Noch wichtiger finde ich, dass wir unsere unterschiedlichen Kulturen so viel wie möglich teilen und als Quelle der Vielfalt nutzen, um einander zu bereichern. Wir können zum Beispiel gemeinsam an verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen und sogar vielfältige Festen zusammen feiern usw.

Dabei spielen eine wesentliche Rolle die Erziehung zuhause, im Kindergarten, in der Schule, auf der Straße und natürlich die Bildung.

Ob wir alle im Frieden leben oder nicht – Eltern und die gesamte Gesellschaft tragen dafür Verantwortung meiner Meinung nach.

Ein Grund mehr, an Sitzungen dieses Formats teilzunehmen. Über die Meldungen der SchülerInnen, was sie von der Begegnung mit mir mitgenommen haben, freue ich mich sehr. Für den offenen und fruchtbaren Austausch bedanke ich mich herzlichst bei allen Teilnehmenden!

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Text: Hassan Dabi

Redaktion, Screenshots: Anni Velkova-Rehm


Eine Begegnung zum Thema Zukunftswünsche und Lebensziele

 

Wann haben Sie sich zuletzt gefragt, welche Ihre Lebensziele sind?

Haben sich Ihre Ziele seit Ihrer Jugend geändert?

 

Diese und andere Fragen kamen auf mich zu, nachdem ich mich bereit erklärt hatte, als Botschafterin der Vielfalt in einem Präsenz-Unterricht über Zukunftswünsche an der Gesamtschule am Forstgarten teilzunehmen. Das war für mich eine sehr positive Erfahrung und ich hoffe auch für die SchülerInnen der 9. Klasse. Das Online-Treffen war eine Woche zuvor sorgfältig vorbereitet und an dem Tag des Unterrichts lief alles reibungslos. In diesem Blog-Beitrag möchte ich meine Erfahrungen den zukünftigen BotschafterInnen der Vielfalt mitteilen.

Anni Velkova-Rehm hatte mich eingeladen, als Botschafterin der Vielfalt an dem Projekt teilzunehmen. Diesen Vorschlag hatte ich mit großer Freude angenommen. Die Begegnungen mit Jugendlichen finde ich immer spannend. Besonders freue ich mich, wenn sie mit mir ihre Lebens-Ansichten teilen.

In der Vorbereitungsphase hatte ich durch Anni die folgenden Anregungen für unsere Begegnung von den SchülerInnen bekommen:

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Die Frage, welche Ziele ich als Jugendliche hatte, hat als erste meinen Blick gefangen. Meine Gedanken gingen zurück zu meinen jugendlichen Jahren. Ich hatte damals eigentlich nur Lebensträume gehabt. Manche dieser Lebensträume sind in Erfüllung gegangen, ohne dass ich was Konkretes dafür getan hatte. Meine wirklichen Lebensziele hatte ich mir erst Jahre später gesetzt.

Was ist ein Lebenstraum?

Was ist ein Lebensziel?

Wann wird ein Lebenstraum zum Lebensziel?

Zu diesen Fragen konnte ich mehrere Beispiele aus meinem Leben geben.

Ich ging auch die anderen Fragen durch und notierte mir weitere Anregungen für die geplante Begegnung:

  • Wofür wird Mut gebraucht – um sich ein Ziel zu setzen oder um es zu erreichen?
  • Welche Fähigkeiten werden gebraucht, um ein Ziel zu erreichen?
  • Wodurch zeichnet sich ein guter Job aus?
  • Welche sind die Vorteile und die Nachteile des Lebens in einem kleinen Ort?
  • Herkunft und Minderwertigkeitsgefühl.
  • Was mir über den kurdischen Bergen und über die Kurden dort von einem Freund erzählt wurde.

Die Begegnung verlief wie ein Gespräch in einem Café. Anni moderierte das Treffen und folgte den vorbesprochenen Punkten. Zu jeder Frage erzählte ich aus meiner Lebenserfahrung. Und der Philosophie-Lehrer Philipp Giesinger gab Informationen, wie die einzelnen Begriffe theoretisch definiert sind und welcher Teil der Philosophie sich mit denen auseinandersetzt.

Die SchülerInnen waren das Publikum. In dem Fall war das ein aktives Publikum. Manchmal stellten sie ihre Fragen direkt, oder sie beantworteten die von Philipp geposteten Fragen im Chat. Wie z. B.

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Ich merkte das Interesse der SchülerInnen als sie die Frage beantworteten: Welche Fähigkeiten werden gebraucht, um ein Ziel zu erreichen? Ich hatte nur zwei Gründe von mir aus genannt.

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Interessant, dass bei der Frage „Was glaubt ihr: Wofür wird mehr Mut gebraucht –  um sich ein Ziel zu setzen oder um es zu erreichen?“ die Mehrheit sich genau anders als ich entschieden hatte.

Das Bild zeigt die Auswertung von SchülerInnen-Meldungen mittels app.sli.do.

 

Das war für mich ein Zeichen, dass diese jungen Menschen ihre eigene Meinung haben, die nicht leicht zu ändern ist.

Mir ist aufgefallen: Noch können die Jugendlichen Lebensziele kaum erkennen – es sind häufig „nur“ Lebensträume, die selten von Selbsterkenntnis und strukturierter Planung getragen sind, sondern von Wünschen und Bildern. Das liegt daran, dass die SchülerInnen noch stark in von der Umwelt gesetzten Zielen leben – Lernzielen, Orga-Strukturen, schulischen Anforderungen. Hier gilt es Mut zu haben, in eine Prüfung zu gehen. Aber dieser Mut ist nicht der, den ich meine, wenn ich davon spreche, Mut zu haben sich wirklich ein Ziel zu setzen – abgeleitet vom Traum, mit Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis strukturiert und entwickelt.

 

Am Ende des Gesprächs zeigte ich ein paar Bilder von den kurdischen Bergen und Dörfern und gab die Erzählung eines Freundes, der dort als Tourist war, wieder.

Für mich war diese Begegnung sehr bereichernd. Es bereitete mir eine große Freude, dass die Jugendlichen Interesse am Unterrichts-Thema zeigten und bis zum Schluss aktiv blieben.

Ich hoffe, dass jeder der SchülerInnen etwas von meinen Erzählungen mitnehmen konnte, und dass sie nach diesem Treffen noch mehr Mut besitzen, sich große Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen!

Ich bedanke mich bei Anni und Philipp für die Einladung und die hervorragende Organisation!

Das Bild zeigt die Auswertung von SchülerInnen-Meldungen mittels app.sli.do. Die Kommentare der SchülerInnen sind nicht korrigiert.

Text: Maria Brauchle

Redaktion: Thomas Rehm

Bilder: Persönliches Archiv von Maria Brauchles Freund
Screenshots: Anni Velkova-Rehm


Markt oder Menschlichkeit?

Das war das Thema und zugleich die Hauptfrage, mit der sich die SchülerInnen im Alter von 16 und 17 Jahren in einem Wirtschaftslehre-Unterricht am Berufskolleg Kleve auseinandersetzten. Eliana, Botschafterin der Vielfalt, erzählte von ihrem Leben in Afrika und auch von ihren Erfahrungen im Bereich des fairen Handels.

Welche ist die erste Assoziation, die Du mit fairem Handel machst?
Das Bild zeigt die Auswertung von SchülerInnen-Meldungen mittels app.sli.do. Je größer die Schrift, desto größer die Übereinstimmung bei den Teilnehmenden untereinander. Die Kommentare der SchülerInnen sind nicht korrigiert.

Die Sitzung moderierten Jan Feldmann (Lehrperson) und Anni Velkova-Rehm (Leiterin des Projekts „BotschafterInnen der Vielfalt“). Die Fragen an Eliana ergaben sich aus dem Interesse und Anregungen der SchülerInnen. So kommentierten die SchülerInnen den Unterrichtsverlauf:

Das fand ich gut an der Unterrichtsdurchführung
Das Bild zeigt die Auswertung von SchülerInnen-Meldungen mittels app.sli.do. Je größer die Schrift, desto größer die Übereinstimmung bei den Teilnehmenden untereinander. Die Kommentare der SchülerInnen sind nicht korrigiert.

Von der „wahren Expertin“ Eliana wollten die SchülerInnen im Wesentlichen wissen: Was hat sie bewogen, sich mit fairem Handel zu beschäftigen? Was meint sie mit den Begriffen „Alt- und Neokolonialismus“? Welche Erfahrungen hat sie mit fairem Handel gemacht? Und nicht zuletzt: Was ist fair und was ist unfair beim „Fairtrade“? Gibt es überhaupt wirklich fairen Handel?

Eliana verwies auf konkrete Beispiele, wie sie die Ausbeutung Afrikas erlebt hat und sensibilisierte so u.a. für die Abhängigkeit Ghanas vom EU-Markt, ebenso wie diese Abhängigkeit zu Lasten der Umwelt und der Menschen geht. Außerdem erklärte sie mit Blick auf ihre eigene Erfahrung mit fairem Handel die Herausforderungen in diesem Bereich.

Die Resonanz zur Sitzung war sehr positiv. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Eliana für Ihre Unterrichtsteilnahme!


Text, Screenshots: Anni Velkova-Rehm


Was bist du?

„Was bist du?“

Unter diesem Motto starteten zwei Sitzungen des 9en-Kurses per Zoom in die digitale Variante des Projekts „BotschafterInnen der Vielfalt“. Gemeinsam mit unseren Gästen Ron und Anni, stellten wir uns – nach einer bewusstmachenden Übung zu Ich-Aussagen – Fragen wie:

Welche Ich-Aussage hat sich wann entwickelt? Was hast du getan, weil es dir besonders wichtig war? Wie hast du diesen Teil deiner Identität entdeckt? Was war dabei der Auslöser? Was würdest du gerne in Zukunft noch erreichen?

Dort, wo die SuS am stärksten betroffen waren, wurde mehr erzählt und nachgehakt. So gab es einen Fokus auf Religion und Glaube, der von Ron mit dem überreligiösen Weltbild der Humanität und einer starken Orientierung an Lesen, Schreiben und Gesprächen verknüpft wurde. Zusätzliche interessierte im Gespräch das Thema Sexualität inklusive Asexualität.

Die Stimmung im Raum war, wegen des digitalen Formats mit fehlenden oder deaktivierten Kameras bei den Schüler*innen, schwer zu deuten. Allerdings beteiligte sich ein Großteil der Gruppe durchgehend. Als Einzelne seinen Besuch durch sexualisierte Bemerkungen störten, hat Ron ihnen explizit vergeben. Das fand ich stark. Gleichzeitig hat mich seine klare Positionierung als lebenslang areligiöser Humanist erfreut.

Ich bin selbst eine Person, die lange mit dem eigenen Körperbild – auch im Kontext von Sexualität – gerungen hat. Außerdem sehe ich mich als Menschen, der seine Werte behalten und entwickelt, aber seinen Glauben abgelegt hat. Verständnis von einer erfahrenen Person hätte mir damals bei beiden Entwicklungsprozessen geholfen, früher meine eigene Position zu vertreten und mit erhobenem Kopf durch die Welt zu gehen. Ich hoffe, meinen Schüler*innen durch die Botschafter*innen solche Chancen zu eröffnen. Deswegen hat es mich auch besonders gefreut, als Ron ihnen anbot, auch über das Erzählcafé>>> hinaus in Kontakt zu bleiben. Während des Gesprächs verging die Zeit wie im Flug. Plötzlich saßen wir schon in der Reflexionsrunde. Die klare Mehrheit wünschte sich, dass Ron und Anni wiederkommen und Einzelne gaben sogar an, Erkenntnisse>>> für/über den eigenen Lebensweg erhalten zu haben.



Autor: Philipp Giesinger, Lehrer an der Gesamtschule am Forstgarten in Kleve

Bild: Anni Velkova-Rehm


Ron Manheim: Die Teile meiner Identität

Es war eine ganz neue Erfahrung: Ein Gespräch, das wir – die mir vertraute Projektleiterin Anni Velkova-Rehm, der Lehrer Philipp Giesinger und ich – mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern einer Gesamtschule führten, die ich gar nicht kannte. Darüber hinaus konnte ich sie, mit einer Ausnahme, auch nicht sehen, Corona-bedingt natürlich: wir trafen uns „online“.

Alles drehte sich um Identität: „Wer bin ich?“, lautete die zentrale Frage für alle, auch für Anni, den Lehrer und für mich. Da waren alle gleich! Und das funktionierte.

Meine Beteiligung hatte mit meiner vielleicht nicht ganz alltäglichen Identität zu tun. Ich konnte erzählen über einen Weg, der mich aus einem Armenviertel der 1940er Jahre in Amsterdam hinausführte, zunächst zur Rolle eines Grundschullehrers, dann zum Kunsthistoriker. Aber auch konnte ich darlegen, wie ich zum Judentum gekommen bin. Das heißt, zu einer sehr engen Verbindung zur jüdischen Geschichte und Kultur, wenn auch nicht zum Glauben. Was wohl vor allem daran liegt, dass meine jüdischen Großeltern in Auschwitz ermordet wurden, ich sie gar nicht habe kennen lernen und sie mir nichts haben beibringen können.

Aber auch Anni und der Lehrer beteiligten sich an der Vertraulichkeit der Selbstaussage, ebenso wie einige von den teilnehmenden Schülern und Schülerinnen, die frei von ihren Zukunftsplänen erzählten.

Was mir bleibt: Der Wunsch, einmal in vertrauter Runde, aber real – in einem „analogen“ Gespräch“ mit diesen jungen Menschen zusammenzukommen!

Diese Punkte zeigen, was die SchülerInnen vom Gespräch mit Ron mitgenommen haben

Text: Ron Manheim

Screenshot: Anni Velkova-Rehm


 

 

Aufbau von Vertrauen und Beziehung

 

Nach einigen gemeinsamen Unterrichten mit Anni weiß ich nun auch, was es heißt, mit ihr als Team am und im Projekt „BotschafterInnen der Vielfalt“ zu arbeiten:

  1. Unsere Botschafter*innen kommen als ehrenamtliche Freiwillige zu uns. Sie nehmen sich meist einmalig Zeit für uns und unsere Schüler*innen. Damit bedürfen sie aber nicht weniger unseres Schutzes und Respekts. Dazu müssen wir einfache und klare Regeln einführen und durchsetzen.

  2. Auch die vielfältigen Bedürfnisse meiner Schüler*innen müssen bei unserem Projekt mindestens mitgedacht, am besten direkt eingeholt und integriert werden. Zugleich hat Schule auch im 21. Jahrhundert ihren Zwangscharakter nicht (vollständig) verloren. Wir setzen also eine Gruppe von Menschen unfreiwillig ungewohnten Reizen aus. Ist das legitim? Auf welcher Grundlage tun wir das? Als Projektteam müssen wir uns solche Fragen jederzeit stellen und die Antworten als konstruktive Kritik auf die Struktur des Gesamtprojekts anwenden.

Wir briefen die Schüler*innen vor ihrem Einstieg ins Projekt. Sie sollen die Gelegenheit bekommen, eigene und fremde Bedürfnisse und Grenzen explizit zu machen und als Regeln für alle Beteiligten mit ins Projekt zu nehmen. Damit werden sie direkt aktiv und haben die Gelegenheit, sich selbst als wirksam wahrzunehmen.

Was wir, die SuS der 9. Klasse, vereinbart haben: Ich    (1) habe im PP-Kurs Spaß und    (2) achte dabei die persönlichen Grenzen aller Anwesenden. Wenn ich doch einmal jemandes Grenze überschreite, entschuldige ich mich. Meine Klassenkamerad*innen helfen mir dabei, zu erkennen, was ich besser machen kann. Falls ich es dennoch wieder tue, entschuldige ich mich ausführlich, kreativ (per Brief oder mit Gesang) und erhalte einen Klassenbucheintrag. Ich     (3) akzeptiere die Fehler aller Anwesenden und    (4) helfe ihnen, wenn sie Hilfe brauchen. Ich bin auch sonst freundlich zu allen Anwesenden,    (5) lasse sie aussprechen und    (6) sage immer die Wahrheit. Ich    (7) setze mich gegen Gewalt, Mobbing und Menschenfeindlichkeit ein, egal ob es sich um Rassismus, Antisemitismus, Homophobie oder andere Formen handelt. Jede*r soll sich bei uns willkommen fühlen und geschützt werden.
Zugleich dient diese wechselseitige Selbstverpflichtung auch dem Schutz aller temporär zur Gemeinschaft stoßenden Personen.

Last but not least ist der Aufbau von Vertrauen und Beziehung zu allen Projektteilnehmenden besonders wichtig!


Autor: Philipp Giesinger, Lehrer an der Gesamtschule am Forstgarten in Kleve
Redaktion: Anni Velkova-Rehm

Bilder: Ronja Backhaus
Grafik: Lalebi design dreams


Start in ein neues Format

„Was ist denn hier los?“ „Wo soll ich mich hinsetzen?“

Mit diesen und ähnlichen Sätzen kamen meine Schüler*innen der 9. Klasse im Philosophie-Unterricht an. Schon an der ungewohnten Anordnung der Stühle und Tische im Raum hatten sie gemerkt, dass heute (09.12.2020) etwas Besonderes passieren würde.

Ich erklärte ihnen die Lage. „Wir haben heute einen Gast, die Projektleiterin Anni Velkova-Rehm der ‚BotschafterInnen der Vielfalt‘. Wir werden gemeinsam Übungen machen und so viel anschaulicher erleben, was Interkulturalität bedeutet und wie cool Unterricht sein kann.“

Los ging es mit zwei Übung im Stehen. Im Hauptteil der Sitzung haben wir uns mit den moralisch kontroversen Charakteren eines fiktionalen Textes beschäftigt. Wir sollten eine Reihenfolge festlegen, welche Person im Text uns am (un)sympathischsten war. In Kleingruppen haben wir verzweifelt nach einer für alle befriedigenden Lösung gesucht.

Bei dieser kritischen Prozessreflektion ging es emotional hoch her. Was zunächst als Fehlschlag erschien, brachte am Ende doch die gewünschten Erkenntnisse: Wir sind unterschiedlich. Uns ist Unterschiedliches wichtig. Wir sind Teil einer Gesellschaft. Wir müssen miteinander klar kommen.

Ja, das alles kann manchmal weh tun.

Aber durch gute Teamfähigkeit – indem wir einander besser verstehen und auch besser auf einander achten – kann das alles sogar Spaß machen! Respektvolles Miteinander leben – daran wollen wir ansetzen…


Autor: Philipp Giesinger, Lehrer an der Gesamtschule am Forstgarten in Kleve
Redaktion: Anni Velkova-Rehm

Bilder: BotschafterInnen der Vielfalt