„Was bist du?“
Unter diesem Motto starteten zwei Sitzungen des 9en-Kurses per Zoom in die digitale Variante des Projekts „BotschafterInnen der Vielfalt“. Gemeinsam mit unseren Gästen Ron und Anni, stellten wir uns – nach einer bewusstmachenden Übung zu Ich-Aussagen – Fragen wie:
Welche Ich-Aussage hat sich wann entwickelt? Was hast du getan, weil es dir besonders wichtig war? Wie hast du diesen Teil deiner Identität entdeckt? Was war dabei der Auslöser? Was würdest du gerne in Zukunft noch erreichen?
Dort, wo die SuS am stärksten betroffen waren, wurde mehr erzählt und nachgehakt. So gab es einen Fokus auf Religion und Glaube, der von Ron mit dem überreligiösen Weltbild der Humanität und einer starken Orientierung an Lesen, Schreiben und Gesprächen verknüpft wurde. Zusätzliche interessierte im Gespräch das Thema Sexualität inklusive Asexualität.
Die Stimmung im Raum war, wegen des digitalen Formats mit fehlenden oder deaktivierten Kameras bei den Schüler*innen, schwer zu deuten. Allerdings beteiligte sich ein Großteil der Gruppe durchgehend. Als Einzelne seinen Besuch durch sexualisierte Bemerkungen störten, hat Ron ihnen explizit vergeben. Das fand ich stark. Gleichzeitig hat mich seine klare Positionierung als lebenslang areligiöser Humanist erfreut.
Ich bin selbst eine Person, die lange mit dem eigenen Körperbild – auch im Kontext von Sexualität – gerungen hat. Außerdem sehe ich mich als Menschen, der seine Werte behalten und entwickelt, aber seinen Glauben abgelegt hat. Verständnis von einer erfahrenen Person hätte mir damals bei beiden Entwicklungsprozessen geholfen, früher meine eigene Position zu vertreten und mit erhobenem Kopf durch die Welt zu gehen. Ich hoffe, meinen Schüler*innen durch die Botschafter*innen solche Chancen zu eröffnen. Deswegen hat es mich auch besonders gefreut, als Ron ihnen anbot, auch über das Erzählcafé>>> hinaus in Kontakt zu bleiben. Während des Gesprächs verging die Zeit wie im Flug. Plötzlich saßen wir schon in der Reflexionsrunde. Die klare Mehrheit wünschte sich, dass Ron und Anni wiederkommen und Einzelne gaben sogar an, Erkenntnisse>>> für/über den eigenen Lebensweg erhalten zu haben.
Autor: Philipp Giesinger, Lehrer an der Gesamtschule am Forstgarten in Kleve
Bild: Anni Velkova-Rehm
Unglaublich, dass ihr nur online und ohne dass alle für alle sichtbar sind, so intensive Gespräche führen konntet. Und dass du, Philipp, so offen über deine Schwächen als Mann in punkto Körper und Sexualität schreibst, finde ich richtig gut. Dass Lehrer heute so sein dürfen, gibt mir Hoffnung. Es gibt zum Glück immer mehr von uns Männern, die sich das trauen.