Eliana
Der Mensch ist Anders
Jüdisch sein auch
Es ist die Eigenschaft jedes Einzelnen „Andros“ (Mensch) zu sein und deswegen anders. Wenn wir dieses „anders sein“ verleumden oder nicht mehr dulden, beginnen wir den Krieg.
50ger Kinderzeit – Was ist der Mensch?
Nur das genetische Produkt seiner Eltern, hineingeworfen in einen Ort und eine Zeit, die ihn formen und bestimmen, begrenzt von Zäunen und Mauern der Erwachsenen? Ist nicht jedes Kind schon direkt nach seiner Geburt einzigartig in seiner Person und hat nicht jedes Kind Erinnerungen und einen Traum, wer es ist und sein möchte? Meine Erinnerungen wurden mir mit 3 Jahren bewusst und reichen zurück auch in Zeiten vor meiner Zeit. Es war furchterregend was ich sah, ich schlug meinen Kopf gegen die Wand. Ich wollte lieber den Schmerz des Körpers spüren, als den der Seele. Der Mensch ist ganz von Anfang an bis heute, gebrochen in Generationen.
60ger Jugendzeit – Wer ist der Mensch?
Bin ich nicht die Nachfolge meiner Vorfahren, die VerInnerung ihrer Erlebnisse, Erfahrungen und Folge ihrer bitteren Erkenntnis. Warum hatte ich diese große Angst vor Gewalt und woher die übergroße Sehnsucht nach Freiheit? Die Welt erschien mir so dunkel und bedrohlich – immer wollte ich weg. Ich hatte Angst, große Angst vor diesen „Deutschen“ (Männern, Lehrern, Beamten, Polizisten, Soldaten), obwohl ich es doch selber war, geboren bei Münster, aufgewachsen am Niederrhein. Wer war ich, warum fühlte ich mich so fremd und so anders? Werde ich jemals die treffen, die so sind wie ich, werden sie mich erkennen und ich sie? Ja; es geschah das erste Mal mit 15 und dann immer wieder. Ich spielte Gitarre und sang hebräische und jiddische Lieder. Mit 18 zog ich nach Berlin, mit 19 eine lange Reise nach Israel, ein Land, das ich nicht kannte und wo ich doch zuhause war.
70ger Studium – Liebe – Lohn – Profit
An der FU Berlin begann ich das Studium der Soziologie mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialstruktur, mein Diplom, eine Analyse zur Nichtbezahlung von Frauenarbeit, erschien als Buch „Liebe-Lohn-Profit, Man/Marx spricht nicht über Hausarbeit“. Zwar schafft das Studium Wissen, doch Wessen Wissen über Was, des patriarchalen Weltgeistes? Mit der Frauenbewegung suchte ich ein Zimmer für mich allein, um meine Gedanken von ihm zu befreien, sie brachte Demokratie.
80ger Liebe – Begegnung mit dem Anderen Selbst
Es war zur Zeit der Kirschen in einem kleinen Café. „Sind Sie allein?“ „Nein, ich bin immer mit mir zusammen!“, so begann die Begegnung mit dem komplett Anderen, ein so liebevoller Mann, dunkelbraune schöne Haut und so positiv und sanft und ich hatte gar keine Angst. Doch die Außenwelt war laut, sie beleidigte, sie diskriminierte, sanktionierte uns mit Beleidigungen, Benachteiligungen und Gesetzen und tut dies bis heute.
80ger Arbeit – Vertrauen oder Kontrolle
Nach vier Jahren als Sozial- und Drogentherapeutin machte ich eine Zusatzausbildung in EDV und Finanzbuchhaltung. Ich begann als Controllerin bei einem Berliner Softwarehaus, gestaltete Programme zur Stundenerfassung und Projektkalkulation, Kundenmanagement und Einrichtung eines Profitcenters. Ich schrieb Gedichte und veröffentlichte sie auf Städtereisen in poetischen Performances und dem Buch „Und das Wasser gräbt sich unter die Steine…“.
80ger Afrika – Globali- oder „Terrorisierung“
Ich reiste mit meinem Mann zwischen den Kontinenten, verschiffte Container mit Waren, und bauten ein Haus in Kumasi. Afrika war so ganz anders, als was in Europa gelehrt und erzählt wurde. Vor allem die Menschen, sie waren so anders und doch genauso wie überall. Ich erkannte die Abhängigkeit der afrikanischen Länder von der Dominanz der Alt-Kolonialstaaten, die zwar im 2. Weltkrieg ein Teil ihrer Macht über Afrika verloren hatten, doch bis heute sich nicht scheuen, durch wirtschaftlichen und militärischen Terror, Land und Märkte zurückzuerobern. Ich begriff nur langsam, welch große Vernichtung sie vierhundert Jahre lang über Afrika brachten.
90ger Mutterzeit – Lehrerin oder Belehrte
1989 kam in Afrika meine Tochter zur Welt, die ich in Berlin aufzog. Das überwältigende Vertrauen des Kindes in Mutter und Vater, lehrt uns Eltern die Chance, G‘tt ähnlich zu werden. Dies können wir jedoch nicht, indem wir das Kind beherrschen und zu unserem Eigennutz formen, sondern wir müssen das Kindes in seiner Andersartigkeit erkennen, um es auf seinen eigenen Weg zu begleiten und zu beschützen. Meine Tochter lehrte mich nicht nur Geduld, sondern Vernunft, Vertrauen und die überraschende selbstlose Liebe.
90ger Jüdisch sein – Vertrauen oder Bestimmung
An was glaubt der Mensch oder an wen? Was sind die Werte, wer ist die Quelle deines Lebens. Durch die afrikanischen Menschen und ihrer Verbundenheit mit G‘tt wuchs auch mein Vertrauen zu dem EINEN, zu der einen Ursache allen Lebens, ihre Emanation in die Schöpfung der Welt. Das Bekenntnis zum jüdischen Glauben bedeutet das Lernen der „Unwichtigkeit des eigenen Egos“ und das Lernen der „Bedeutsamkeit des eigenen Tuns“ für den Nächsten, Anderen, den Fremden, die Umwelt und die Schöpfung. Dies führte mich in die jüdische Gemeinde, als Mitbegründerin der egalitären Synagoge „Beth-Or“ – Haus des Lichts, in der meine Tochter zur Bat Mizwa wurde.
90ger Mit-Ein-Ander – oder Inform-/Kommunikation
Das Softwarehaus wuchs und mir wurde das IT-Management und die internationale Vernetzung übertragen. Nach dem Verkauf an der Börse wurde die Firma durch Texas Instruments übernommen. Doch wohin entwickelte sich die immer perfekter werdende Vernetzung der Information und Kommunikation, dieses Baumes der Erkenntnis, etwa zu einem Pool von mehr Menschlichkeit und Frieden? Hat nicht diese Ballung von Informationen zur größten Anhäufung von Macht, zu mehr Verwirrung, Streit, Hass und Krieg geführt? Wenn der Mensch nur den Weg der Logik und des Nutzes geht und sein AndersSein leugnet, gibt es keinen Respekt und wahres Miteinander, der Baum des Lebens bleibt für ihn verschlossen.
2000der Fairer Handel – Markt oder Menschlichkeit
Kurz vor der Finanzkrise eröffnete ich einen Weltladen. Die Waren kamen von Einzelpersonen, welche Produkte ihrer Familien aus 100 verschiedenen Dörfern der Welt (Afrika, Asien, Südamerika) nach Berlin brachten. Jede Ware hatte ihre eigene Geschichte, jedes Produkt seine eigene Fantasie, jedes Ding seinen eigenen Geschmack und Geruch zum Liebhaben und dadurch einen besonderen Wert. Ein Wert, der durch die Entstehung und Erzählung bestimmt wurde und nicht durch Ausbeutung und Profit. Eine kleine Oase in der globalen Krise des sinnlosen Konsums.
2010ner Fluch der Väter – Flucht der Kinder
Wie kommt es zum Krieg (ist die Gier nicht als Motivation darin enthalten)? Krieg kommt von kriegen, d.h. wegnehmen durch Zwang, Täuschung oder Betrug. Mittel des Krieges sind Verleumdung, Entrechtung, Kriminalisierung, Erniedrigung und die Sanktionierung durch Entziehung der Lebensgrundlagen Anderer (Menschen). Diese Mittel ermöglichen es den Kriegsführern, sich selbst im „Recht“ und den Anderen als „Nichtmensch“ zu sehen, um eigene Ausübung von Gewalt zu rechtfertigen. Es ist immer dasselbe Muster, jeder Krieg (auch der kleine persönliche) endet in Vergewaltigung, Mord und Vertreibung, die Folge ist die Flucht. Flüchtende zu diskriminieren ist ein großes Vergehen und gefährdet die allgemeinen Menschenrechte. Mit der Genfer Flüchtlingskonvention 1951/67, wurde die UNHCR von 148 Staaten damit beauftragt, weltweit Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung, Krieg und Gewalt sind, zu schützen und zu unterstützen: https://www.unhcr.org/
Text: Eliana
Bilder: Persönliches Archiv von Eliana